Montag, 12. August 2024
Ein straffer Zeitplan führt Regie
Theoretisch könnte man im Neubau der Kulturwerkstatt an der Ganghoferstraße schon Theater spielen. Der Bühnenraum ist klar erkennbar, die Ränge aus Beton für knapp 200 Zuschauer türmen sich auf, und nass würden Darsteller und Zuschauer auch nicht mehr werden, weil sich bereits ein Flachdach über das Gebäude spannt. Die Verantwortlichen sind zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Sanierung und Erweiterung der Spielstätte des Kaufbeurer Kinder- und Jugendtheaters. Nach den Sommerferien soll Richtfest gefeiert werden. Doch bis zur ersten Premiere müssen sich Macher und Fans noch gedulden. Geplant ist die Eröffnung zum Jahresende 2025.
Dieser Termin gilt allerdings nicht nur als wünschenswert, sondern ist mehr oder weniger verpflichtend. Denn damit das 5,9-Millionen-Euro-Projekt angesichts der klammen Finanzen der Stadt Kaufbeuren überhaupt Wirklichkeit werden konnte, mussten etliche Zuschussgeber aktiviert werden. Unter anderem steuern die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern im Zuge der Förderprogramme „Lebendige Zentren“ und „Soziale Integration im Quartier“ einen bedeutenden Teil der Baukosten bei. Doch aus diesen Töpfen gibt es nur Geld, wenn die Abrechnungen der Arbeiten zu bestimmten Zeitpunkten vorliegen.
Bisher konnten in solchen Fällen Sonderfonds gebildet werden, damit bei Bauverzögerungen trotzdem die Zuschüsse fließen. Aber diese Möglichkeit sei durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun nicht mehr gegeben, berichtete Ekin Deligöz bei einer Besichtigung der Baustelle. Die Grünen-Politikerin ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium und dem Kaufbeurer Kinder- und Jugendtheater seit Langem verbunden. Sie habe den Eindruck, dass in Kaufbeuren die ganze Stadtgesellschaft hinter diesem Projekt steht, und deshalb habe sie es auch gerne unterstützt. „Ihr macht einfach“, trotz aller Bedenken, lobte Deligöz.
Nach vielen Verhandlungen und Planungen sind es nun aber vor allem die Bauarbeiter, die machen müssen. Im Januar und Februar dieses Jahres wurde der marode westliche Teil des früheren Kinos aus dem 1930er Jahren abgerissen. Spatenstich war am 7. März, inzwischen steht der Rohbau, und bis in den September hinein soll auch der verbliebene östliche Altbau mit seinem markanten Stufengiebel saniert sein. „Das ist schon eine Leistung“, zeigt sich auch Architekt Jonas Hahn vom Kaufbeurer Büro Stadtmüller-Burkhardt-Graf beeindruckt. Hahn ist selbst „in der Kulturwerkstatt groß geworden“, wie er berichtet, und so sei die Sanierung und Erweiterung der Spielstätte natürlich ein besonderer Auftrag für ihn - und ein nicht ganz einfacher.
Die Grundstücksfläche von 639 Quadratmetern müsse nahezu vollständig überbaut werden, um ein komplettes Theater mit Zuschauerraum, Bühnenraum und einem integrativen Café im Erdgeschoss sowie Proberäumen, Werkstätten, Garderoben und weiteren Funktionsräumen im ersten Stock unterbringen zu können. Das bedeute, dass die gesamte Baustellenlogistik auf der benachbarten, gesperrten Bismarckstraße abgewickelt werden muss - auch die Anlieferung der mächtigen Betonfertigteile, die wegen des Zeitdrucks verwendet wurden. Angesichts der enormen Geschosshöhe des Theatersaales wäre die Schalung einer üblichen Betondecke sehr aufwändig gewesen, ergänzt Christian Martin, Prokurist der ausführenden Firma Dobler. So überragen nun Betonstreifen, in die rund 70 Tonnen Stahl verbaut wurden, das Erdgeschoss und den ersten Stock, ohne dass Zwischenstützen notwendig sind. Im Obergeschoss öffnen sich zudem große raumhohe Fenster in Richtung Innenstadt, sodass der Blick über die Dächer Kaufbeurens schweifen kann, aber auch Passanten Einblicke in die Theaterarbeit erhaschen können. Das Satteldach des verblieben Westteils wird später von einer „Krone“ aus Stahlelementen eingefasst, um den Baukörper mit einem Volumen von fast 8000 Kubikmetern und einer Nutzfläche von 865 Quadratmetern bessern in das Stadtbild einzufügen, erläutert Architekt Hahn. Auf dem Flachdach des Neubaus wird eine Fotovoltaikanlage installiert. Die soll zusammen mit einer Grundwasserwärmepumpe für die Heizung für eine nachhaltige Energiebilanz der neuen Kulturwerkstatt sorgen.
Simone Klinger vom Kulturwerkstatt-Team zeigt sich begeistert, dass der so lange gewünschte und geplante Ersatz für die durchwegs marode alte Spielstätte nun Gestalt annimmt: „Wir wussten: Es kann was Großes entstehen“, und das sei jetzt der Fall.
– mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung –
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