In der Espachstraße 17 erinnert ein Stolperstein an Marie Espermüller, die im Rahmen der NS-"Euthanasie" ermordet wurde. An der Adresse befand sich das heute nicht mehr erhaltene Wohnhaus ihrer Familie.
Marie Espermüller wurde am 19.11.1893 in Kaufbeuren geboren. Sie wuchs in der Familie des Sägewerkbesitzers Fritz Espermüller gemeinsam mit zwei Brüdern und einer Schwester auf. Nach einem Unfall auf der Schaukel im Kindesalter galt sie als „Sorgenkind“ der Familie und wurde aufgrund einer geistigen Behinderung im Alter von 30 Jahren am 25. April 1924 in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren eingewiesen. Laut den Aufzeichnungen ihres Bruders in der Familienchronik wurde Marie in der Heil- und Pflegeanstalt „nett untergebracht“, befreundete sich mit anderen Patientinnen, wurde regelmäßig besucht und mit Essen versorgt. 1941 jedoch bekam die Familie Espermüller die plötzliche Nachricht von der Überführung ihrer Tochter bzw. Schwester nach Linz, angeblich, „um einer behördlichen Anordnung genüge zu leisten“. Weiter hieß es, Marie sei „gut untergebracht“ und man habe „nichts zu befürchten“. Trotzdem hatten die Angehörigen ein schlechtes Gefühl – zu Recht: In Wahrheit war die Patientin mit 70 anderen Frauen am 5. Juni 1941 im Zuge der geheimen „Aktion T4“ in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz deportiert worden, wo sie kurz nach ihrer Ankunft mit Kohlenmonoxid vergast wurde. Wenige Tage nach der Nachricht über die Verlegung Maries erhielt ihre Familie die Mitteilung, dass sie verstorben sei. Als Todesursache wurde Miliartuberkulose genannt. Trotz mehrmaliger Rückfragen seitens der Familie Espermüller an den damaligen Anstaltsleiter der Kaufbeurer Heil- und Pflegeanstalt, Valentin Faltlhauser, gab es nur ausweichende Antworten und so blieb der tatsächliche Grund für den Tod Marie Espermüllers lange Zeit im Unklaren.
Marie Espermüller ist eine von 21 Kaufbeurerinnen und Kaufbeurern, die in der hiesigen Heil- und Pflegeanstalt im Rahmen des NS-"Euthanasie"-Programms "Aktion T4" ermordet wurden. Insgesamt wurden 687 Kaufbeurer Patientinnen und Patienten zwischen 1940 und 1941 in Tötungsanstalten verlegt und kamen dabei ums Leben.
Fotografie: Privat
Weiterführende Literatur: Michael von Cranach, Petra Schweitzer-Martinschek, Petra Weber: Später wurde in der Familie darüber nicht gesprochen. Gedenkbuch für die Kaufbeurer Opfer der NS-"Euthanasie", Neustadt a. Aisch 2020.
Zurück zur Übersicht