Stolpersteine

Wilhelm Lion

(1909–?)

Kaiser-Max-Straße 14

In der Kaiser-Max-Straße 14 erinnert ein Stolperstein an den jüdischen Metzgergesellen Wilhelm Lion.

Wilhelm Lion war einer von fünf Söhnen des Viehhändlers Isidor Lion (*1880) und dessen Frau Rosa (*1882). Das Paar zog am 21.07.1911 von Memmingen nach Kaufbeuren. Isidor Lion stammte aus Finstingen im Kreis Saarburg in Elsass-Lothringen, seine Frau Rosa, geb. Harburger, aus Krumbach in Schwaben. Nach Julius (*1907) war Wilhelm der zweitälteste Sohn, er wurde am 14.05.1909 in Memmingen geboren. Es folgten die beiden jüngeren Brüder Karl Sigmund (*1911) und Friedrich (*1913), der in Kaufbeuren geboren wurde. 1915 verzog die Familie nach Augsburg, wo 1919 der fünfte Sohn Heinrich zur Welt kam. Rosa Lion verstarb wohl vor 1942. Isidor Lion heiratete später erneut und nahm Selma Vollweiler zur Ehefrau.

Wilhelm Lion hatte ursprünglich die Staatsbürgerschaft des Reichslandes Elsass-Lothringen, erst 1918 wurde er in Bayern eingebürgert. Von Beruf war er Metzgergeselle und arbeitete in der Metzgerei Schaller in der Kaiser-Max-Straße.

Zwischen 1924 und 1935 wohnte Wilhelm Lion mit mehreren Unterbrechungen in Kaufbeuren. Zunächst kam er aus Memmingen nach Kaufbeuren, später wechselte er mehrfach seinen Wohnsitz zwischen Kaufbeuren und Augsburg. Zuletzt lebte er vom 7.03.1932 bis zum 13.04.1935 in Kaufbeuren, bevor er endgültig nach Augsburg verzog.

1936 heiratete er in Augsburg Mathilde Hummel (* 9.04.1915 in Buttenwiesen). Am 13.03.1938 kam ihr gemeinsamer Sohn Rolf zur Welt, sie lebten im Vorderhaus der Synagoge in der Halderstraße 6a und waren als Hausmeister-Ehepaar beschäftigt.

Auch seine Brüder Karl Sigmund, Friedrich und Heinrich lebten in Augsburg. Zwischen 10.11. und 28.12.1938 war Wilhelm Lion, ebenso wie seine Brüder Karl Sigmund, Friedrich und Heinrich, im KZ Dachau inhaftiert. Die Verhaftungen fanden im Rahmen der Reichsprogromnacht statt. In den Morgenstunden des 10.11.1938 drangen Nationalsozialisten in die Augsburger Synagoge ein, verwüsteten das Innere und legten Feuer. Der Brand wurde von der Feuerwehr nur gelöscht, um die umliegenden Gebäude zu schützen. Nach Anschuldigungen, dass die jüdische Gemeinde den Brand selbst gelegt hätte, wurden rund 150 jüdische Männer verhaftet und nach einigen Tagen in das KZ Dachau verbracht und erst nach mehreren Wochen wieder freigelassen.

Am 3.04.1942 wurde Wilhelm Lion mit seiner Frau Mathilde und seinem vierjährigen Sohn Rolf von Augsburg über München-Milbertshofen deportiert, vermutlich in das Ghetto Piaski in Polen. Auch sein Bruder Karl und dessen Ehefrau Klothilde, sein Vater Isidor mit Ehefrau Selma sowie aus Buttenwiesen seine Schwiegereltern Theodor und Fanny Hummel sowie sein Schwager Ludwig und dessen Ehefrau Paula Hummel befanden sich im selben Transport.

Bereits im November 1941 war Wilhelm Lions jüngster Bruder Heinrich nach Kaunas in Litauen deportiert worden, wo er kurze Zeit später ums Leben kam. Seinem Bruder Friedrich war es im Juni 1939 gelungen, nach London auszuwandern.

Aus einem Interviewbogen der IRO (International Refugee Organisation) von 1949 ist bekannt, dass Wilhelm Lion als vermutlich Einziger der Familie den Transport überlebte. Er gelangte in ein Lager in Ungarn, ab 1944 war er im KZ Ebensee, einem Außenlager des KZ Mauthausen in Österreich in Haft. Dort wurde er im Mai 1945 befreit und kehrte nach Deutschland zurück, wo er von 1945 bis 1948 in Frankfurt am Main lebte. Mit Unterstützung der IRO wanderte er von dort im März 1949 in die USA, nach Brooklyn in New York, aus. Als Bürge ist Karl Rosenfeld von der jüdischen Hilfsorgansation HIAS (Hebrew Immigration Aid Society) genannt.

Weitere Angaben zu Wilhelm Lion waren bislang leider nicht zu ermitteln. Bis auf seinen Bruder Friedrich – haben aus seiner unmittelbaren Familie keine weiteren Personen den Holocaust überlebt.

Von Friedrich Lion haben sich beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen Suchanfragen nach seinem Bruder Wilhelm erhalten. Ob die beiden sich wiedergetroffen haben, ist nicht bekannt.

Grafik: Stadtmuseum Kaufbeuren

Weiterführende Literatur: Stefan Dieter: „Durch Selbstmord aus dem Leben geschieden, da ihm die Nazis derart zugesetzt haben“ – Ernst Buxbaum, Kaufbeurer Bürger jüdischen Glaubens. In: Stefan Dieter (Hrsg.), Kaufbeuren unterm Hakenkreuz, Kaufbeurer Schriftenreihe 14, Thalhofen 2015, S. 256–268, hier Fußnote 1.

Eintrag zu Mathilde Hummel,Wilhelm Lions Ehefrau im Augsburger Gedenkbuch.

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