In der Kaiser-Max-Straße 9 erinnert ein Stolperstein an Ferdinand Weitnauer, ein Kaufbeurer Opfer der NS-"Euthanasie".
Die NS-Ideologie stellte die Schaffung einer „reinrassigen“ Volksgemeinschaft in ihren Mittelpunkt. Ausschließlich Menschen mit „gesunden Genen“ sollten Teil der Volksgemeinschaft sein. Die nationalsozialistische Gesundheitspolitik und die darin verankerte „Rassenhygiene“ hatten zahlreiche Morde an geistig und körperlich behinderten Menschen im NS-„Euthanasie“-Programm zur Folge. Insgesamt wurden zwischen 1933 und 1945 etwa 230.000 psychisch und körperlich behinderte Menschen ermordet.
Durch die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren kamen mindestens 2.650 Menschen ums Leben, sei es durch Deportation in Vernichtungsanstalten im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ oder nach deren Ende 1941 durch überdosierte Medikamente, Vernachlässigung und Unterernährung. Eines der Kaufbeurer Opfer des „Euthanasie“-Programms war Ferdinand Weitnauer.
Er wurde am 29.05.1904 geboren und war das älteste Kind der evangelischen Bäckerfamilie Weitnauer. Ferdinand hatte eine normale Kindheit und begann nach der Schule eine Bäckerlehre, um den Betrieb seiner Eltern, August und Susanna Weitnauer (geb. Wiedemann) zu übernehmen. Die Bäckerei befand sich in der Kaiser-Max-Straße 9. Beide Eltern stammten aus Kaufbeuren.
Aufgrund einer plötzlichen Erkrankung war Ferdinand Weitnauer nicht mehr arbeitsfähig. Sein zehn Jahre jüngerer Bruder, August Oskar, verließ daraufhin das Gymnasium, um Ferdinands Platz in der Bäckerei einzunehmen. Die Ursache seiner Krankheit ist ungewiss, da seine Krankenakte aus der Heil- und Pflegeanstalt mit seiner Verlegung in die Tötungsanstalt vernichtet wurde. Es könnte sich um eine Infektion mit Enzephalitis, eine neurodegenerative Erkrankung oder eine psychische Erkrankung gehandelt haben.
Bekannt ist, dass Ferdinand Weitnauer am 17.11.1933 zum zweiten Mal in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren eingewiesen wurde. Am 25.11.1940 wurde er zusammen mit 61 weiteren Männern aus der Anstalt in die Tötungsanstalt Grafeneck „verlegt“. Am selben Tag wurden Ferdinand und die anderen Patienten in der Gaskammer ermordet. Seine Familie erhielt eine Postkarte, die als angebliche Todesursache einen „plötzlichen Herztod“ nannte. Auf seiner Meldekarte wurde der 8.12.1940 als Todeszeitpunkt vermerkt. Über seinen plötzlichen Tod wurde in seiner Familie später nur wenig gesprochen.
Grafik: Stadtmuseum Kaufbeuren
Weiterführende Literatur: Michael von Cranach, Petra Schweitzer-Martinschek, Petra Weber: Später wurde in der Familie darüber nicht gesprochen. Gedenkbuch für die Kaufbeurer Opfer der NS-"Euthanasie", Neustadt a. Aisch 2020
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